Dienstag, 27. August 2019

6 Wochen als Englischlehrer in CALI, Kolumbien / SÜDAMERIKA #9


Heute war mein letzter Schultag. Nachdem ich 2016 die Schule abgeschlossen habe, hätte ich nicht gedacht, dass ich diesen Satz nochmal benutzen könnte. Diesmal allerdings mit einem Rollenwechsel. Aus mir wurde "Teacher Salome" oder "Teacher de Ingles". Ich habe in Cali nämlich sechs Wochen Englisch unterrichtet. 
Bevor ich genauer auf die Schule eingehen möchte, werde ich allerdings erstmal erzählen, wie es dazu gekommen ist. Da ich Psychologie studiere, war ich auf der Suche nach einem Praktikum in diesem Bereich. Über die Uni Website bin ich auf die Organisation "AIESEC" gekommen, die von Studierenden der ganzen Welt gegründet und aufrechterhalten wurde. Hier werden Projekte und Praktikas vermittelt in zahlreichen Ländern und Bereichen, um bestimmte Entwicklungsziele zu erreichen. Das ist im sozialen Bereich zum Beispiel Armut zu verringern, Ungleichheiten zu verringern oder Bildung bereitzustellen. Es gibt aber auch Projekte, die das Wirtschaftswachstum steigern sollen oder die Umweltverschmutzung eindämmen. Klingt doch super, habe ich mir gedacht, und mich in drei Ländern in Südamerika beworben. In allen wurde ich akzeptiert, habe mich dann aber für ein Projekt in Cali entschieden, in welchem ich mit Kindern mit Behinderung (Down-Syndrom, Autismus...) arbeiten soll. Die Leute hier haben es aber nicht so mit Organisation und Verlässlichkeit, daher kam ich hier an und mir wurde gesagt, dass ich nicht in meinem Projekt arbeiten könne. 
Außerdem wurde ich in eine Hostfamilie eine Stunde außerhalb von Cali gesteckt und mir wurde gesagt, ich solle doch täglich in die Stadt trampen (!!!), da es keine verlässlichen Busse gebe. 
Wie ihr euch denken könnt, war ich nicht gerade erfreut, nachdem ich einen Haufen Geld und Zeit in meine Reise investiert habe. Nachdem ich eine Woche lang keine Antwort auf meine Forderung, in eine andere Familie verlegt zu werden, bekommen habe, hat die Drohung mit Publicity und Klagen dann geholfen. Ich wurde versetzt.
Das Problem mit dem nicht realisierbaren Praktikum wurde dann gelöst, indem ich in ein anderes Projekt verfrachtet wurde, welches zwar nicht super studienrelevant ist, aber sich dennoch nach etwas anhört, was Spaß machen könnte. Alles in einem kann ich also sagen - AIESEC, no thanks. 



Nach diesem unerfreulichen Start in Kolumbien möchte ich jetzt aber zur Schule zurückkommen. Ich habe im Colegio La Fontaine unterrichtet. Die Schule liegt in einer ärmeren Gegend Calis und ist eine Privatschule, erhebt allerdings verhältnismäßig geringe (~35 US$ pro Monat) Schulgebühren, um Kindern aus ärmeren Familien Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung zu verschaffen. Englischunterricht ist hier eine Rarität und meist sehr teuer, daher ist das eine große Chance für die Kinder, die hier zur Schule gehen dürfen. Da von diesem Schulgeld allerdings Gebäudekosten, Strom, Wasser und zahlreiche Lehrer und Materialien bezahlt werden müssen, ist die Schule auf Spenden angewiesen. Einige Kinder, die sich das Schulgeld nicht leisten können, werden auch von Sponsoren unterstützt. Colegio La Fontaine ist eine Transitions- (bei uns sowas wie Kindergarten) und Grundschule (bis zur 5. Klasse). Das erste was mir beim Besuch aufgefallen ist, ist die angenehme Atmosphäre in der Schule. Lehrer, Schulleitung und Schüler haben mich mit offenen Armen empfangen und mich willkommen geheißen. 



Und dann ging es auch schon los. Ich wurde mit meinen geringen Spanischkenntnissen ganz schön ins kalte Wasser geschmissen. Plötzlich stand ich vor einer Klasse mit 15-25 kleinen Monstern, die ganz sicher nicht leise sein wollten und meine verzweifelten Versuche, mit ihnen Englisch zu sprechen, nicht verstanden haben. Also habe ich begonnen mich vorzubereiten, habe mir bestimmte Sätze angeeignet, die Namen der Kinder gelernt und versucht alle ständig beschäftigt zu halten. Der Kindergarten hat mit Monsterwürfeln gespielt, um etwas über Körperteile zu lernen, die Erstklässler haben eine lange Schlange aus Papier gebastelt und in der vierten Klasse haben wir ein "Breakfast" mit Keksen aus Österreich abgehalten. Und mit der Zeit wurde ich den Kindern vertraut. Sie haben mir ihre Probleme erzählt (Kevin und Tiany haben sich geschlagen, über Santiagos Kopf wurde ein Spitzer ausgeleert) und haben voll Freude Hüte gebastelt um Arzt zu spielen. Ich habe gelernt, dass praktisch alles eine Unterrichtseinheit werden kann (ein spanisches Buch mit Autos um Farben zu wiederholen, ein rotes Blatt Papier um Feuerwehrautos zu basteln und Bälle um under/in front /on/ next to zu üben. 



Es war anstrengend, verdammt anstrengend, da ich immer allein mit einem Haufen Kinder war. Aber ich habe mein Spanisch verbessert, ich kann mich mittlerweile problemlos unterhalten und habe die Kinder mehr oder weniger im Griff. Ich bekomme Süßigkeiten in der Pause geschenkt, werde umarmt wenn sie mich sehen und heute an meinem letzten Tag wurden zahlreiche Tränen vergossen und ich habe 17 Briefe geschenkt bekommen, auf denen steht, dass ich die beste Lehrerin sei und sie sich entschuldigen für die Zeiten, in denen sie unaufmerksam sind und sich sehr bedanken. Über die Zeit habe ich persönliche Beziehungen aufbauen können und die Kinder sind zu "meinen" Kindern geworden. Umso schwerer fällt es mir, die Kinder zurückzulassen, um irgendwann in mein Land voller Luxus zurück zu kehren. Ich habe in Gesichter mit glasigen Augen geschaut, die mich gefragt haben, wann ich denn zurück komme. Und ich musste antworten "ich weiß es nicht".





Bildung ist das wichtigste Gut für diese Kinder. Es ist der Schlüssel, um ihnen neue Möglichkeiten zu eröffnen, der Schlüssel gegen Armut, kaum vorhandene Wirtschaft und Kriminalität. Ich habe nur einen kleinen Einfluss in meiner kurzen Zeit hier, aber die Kinder verdienen Bildung. Daher möchte ich euch hier die Facebookseite der Schule verlinken. Falls jemand 35$ pro Monat oder Bilderbücher, Spielsachen etc übrig hat - die Kinder brauchen es mehr als wir in Deutschland. Und die Schulleitung Lily gibt ihr Bestes, möglichst vielen Kindern den Weg in ein besseres Leben zu ermöglichen.


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