Donnerstag, 12. September 2019

Auf den Spuren Pablo Escobars in MEDELLIN, Kolumbien / SÜDAMERIKA #15


Meine letzten Tage habe ich in und nahe der beliebtesten Stadt Kolumbiens verbracht. Medellin hat in den letzten Jahren stark an Beliebtheit gewonnen und konnte seinen Ruf von "krimineller Drogenstadt" zu "hipper Touristenstadt in den Bergen" wandeln. Begonnen hat mein Aufenthalt in diesem Teil Kolumbiens aber nicht in der Stadt selbst, sondern in einem kleinen Ort ungefähr eine Stunde entfernt. Hier konnte ich nämlich eine Nacht bei Freunden bleiben, in den Bergen Reiten und den Arbeitsplatz eines kolumbianischen Architekten besichtigen. Wie ihr seht bekomme ich auch ganz schön viel von dem Kolumbien abseits der Touristenpfade mit. 
Medellin und das Dorf (El Retiro) liegen etwas mehr in den Bergen und im Vergleich zur Karibikküste könnte man das Wetter schon fast als frisch beschreiben. Ich finde es eindeutig angenehm, mal nicht vom Nichtstun zu schwitzen und dennoch schicke Sommerkleidung tragen zu können. Am nächsten Tag wurde ich dann von meinen Freunden nach Medellin begleitet. Hier habe ich mit zwei deutschen Mädels ein Privatzimmer reserviert, da wir einen guten Deal für denselben Preis wie den Dorm bekommen haben. In den letzten Tagen hatte ich also eindeutig ein Luxusleben.



Medellin hat einen ziemlich schicken botanischen Garten - für mich als Pflanzenfan natürlich ein Paradies - und wir konnten sogar diesen schicken Kerl ein Foto weiter oben auffinden. 
Auch abseits des botanischen Gartens hat Medellin viel zu bieten, ich könnte hier sicher eine Woche verbringen, ohne dass es langweilig werden würde. Aus Zeitgründen musste ich diese Woche aber leider auf zwei Tage beschränken. Doch auch in den zwei Tagen habe ich ziemlich viel mitbekommen.



Mein Highlight war die Free Walking Tour, die ich mit den zwei deutschen Mädels unternommen habe. Diese hat in einem Teil von Medellins stattgefunden, der sehr geschichtsträchtig ist. Unser Privatguide hat mehr als drei Stunden gequatscht, aber ich werde versuchen, die für mich markantesten Dinge wiederzugeben. Die Comuna 13 (dieser Teil Medellins) hat mehrere Schicksalsschläge erlitten und war/ist lange Zeit unter der Führung verschiedener (Terror-)Gruppen gewesen. Generell wird die Bevölkerung, je höher die Lage ist, immer ärmer. Die Comuna 13 befindet sich auch an einem Berg - hier ist also die Unterschicht zuhause. Die Comuna wurde abwechselnd von mehreren extremistischen Gruppen beherrscht. Zunächst waren das die ELN, eine Art marxistische terroristische Organisation. Dann hatte Pablo Escobar und seine Drogenmafia die Oberhand, schließlich die Guerillas (eine extremistische revolutionäre Bewegung, die es immer noch in Kolumbien gibt). Die Guerillas wurden dann brutal vom Militär der kolumbianischen Bewegung vertrieben/ermordet. Und heute regieren verschiedene "Gangs", wie unser Guide sie nennt. Sie sorgen für Sicherheit, haben aber auch ihren Preis. Jeden Sonntag klopfen sie an die Tür unseres Guides und wollen 50.000 Pesos für die "Versicherung". Wer gegen die Regeln verstößt, wird ermordet. Dabei ist unwichtig, ob man "nur" eine Sonnenbrille klaut, die Versicherung nicht bezahlt, oder jemanden umbringt. Den Gangs widerspricht man besser nicht.



So erschreckend der Gedanke auch ist, dass die Gangs wohl jeden unserer Schritte beobachten, umso erschreckender ist die Vorstellung, wie das Leben vor nur 10 Jahren hier gewesen sein musste. Unser Guide ist hier aufgewachsen. Er erzählte, dass die Kinder dicht an die Wände gedrückt zur Schule gegangen sind und sie nicht in den Straßen spielen konnten. Er zeigte uns Fotos von ungefähr 20 Schusslöchern in der Wand einer Schule. Er erzählte, dass die Straßen voller Leichen waren. Dass das Militär auf alles geschossen hatte, was sich bewegte. Der damalige Präsident (der heute übrigens immer noch ein Senator ist) hat angeordnet, alle Guerillas brutal zu ermorden. Pro totem Guerilla haben seine Leute Geld bekommen. Das haben die sich nicht zweimal sagen lassen und alles abgeknallt - sei es ein Kind, eine schwangere Frau, ein alter Mann oder ein tatsächlicher Guerilla.
Auch unter Pablo Escobar sei es nicht einfach gewesen. Unser Guide erzählte, dass Pablo beispielsweise ein Fußballteam gehabt habe, dass immer gewonnen habe, da keiner sich traute, sich ihm in den Weg zu stellen oder ihm zu trotzen. Er habe die Kinder rekrutiert, für ihn Drogen zu schmuggeln. Kinder sind flink und außerdem kamen Minderjährige damals nicht in den Knast. Die Kinder waren kleine Kampfmaschinen und Drogenkuriere. Und wisst ihr, was mit den Kindern heute passiert ist? Aus ihnen sind die Gangs geworden, die das Gebiet heute kontrollieren. 



Heute ist die Comuna 13 ein Touristenmagnet mit bunten Graffitis und Malereien, die Geschichten von allem was war und sein wird erzählen. Die Geschichten sollen eine Art Memorial sein, aber gleichzeitig auch Touristen und wohlhabende Leute in die Straßen locken. So bunt und voller Leben. Und trotzdem hat bis 2010 das Militär noch auf alles geschossen, das sich bewegte. Trotzdem gibt es die Gangs, die das Gebiet hier überwachen. Medellin und die Comuna 13 steckt voller trauriger Geschichten, voller Homozide und dennoch voller Leben und Hoffnung. 
Ihr fragt euch vielleicht, warum die Polizei nicht eingreift und die Gangs kontrolliert. Aber vor Augen habt ihr das Bild unserer Polizei, die mehr oder weniger dem Gesetz folgt. Hier ist das anders. Die Polizei ist so korrupt, dass mir bei den Geschichten, die ich höre, teilweise fast die Augen aus dem Kopf fallen. Einer Frau, die ich kennengelernt habe, hat die Polizei versucht Drogen unterzuschmuggeln, damit sie ihr Schweigegeld bezahlt. Das passiert laut unserem Guide wohl häufig. Die Strafen auf Fahren auf der falschen Straßenseite oder Überfahren einer Haltelinie sind so irrsinnig hoch, dass wirklich IMMER die Polizei bestochen wird. Es ist schwer vorzustellen, aber die Polizei interessiert sich nicht für die Gangs. Die Polizei ist genau wie die Gangs nur an Geld interessiert. 


Nach dieser etwas anderen Sicht auf Kolumbien werde ich nun das Land verlassen. Versteht mich nicht falsch, es ist nicht gefährlich, Kolumbien zu bereisen. Natürlich kann man beklaut werden, aber mit einer gewissen Grundvorsicht passiert das genauso häufig wie in Europa. Ja, man sollte aufpassen, wo man sich aufhält. Auch wenn ich die untouristische Seite Kolumbiens kennen lernen durfte, sollte man sich doch an den Touripfaden entlang hangeln, solange man keine Connections hat. Kolumbien hat mich mehrmals überrascht und erstaunt - es ist ein riesiges Land und so vielfältig. Ich war für 2 Monate hier und habe gefühlt nicht einmal die Hälfte der Sehenswürdigkeiten sehen können, geschweige denn der Teile des Landes, die abseits der gängigen Reiserouten liegen. Ich werde also wiederkommen und bin gespannt, welchen Veränderungen Kolumbien in den nächsten Jahren unterliegen wird. 


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