Samstag, 7. September 2019

Die Kogi-Indianer im heiligen Land von Sierra Nevada, Kolumbien / SÜDAMERIKA #13



Meine weitere Reise führte mich in einen kleinen, sehr touristischen Küstenort namens Palomino. Hier gibt es außer zahlreichen Touri-Restaurants, Schmuckständen und einem ganz geeigneten Strand zum Surfen nicht sonderlich viel zu unternehmen. Und da ich in den letzten Tagen schon einiges an Strand gesehen habe, ging mein heutiger Tagesausflug an einen ganz besonderen Ort.




Gemeinsam mit einem anderen Deutschen wollten wir eigentlich "nur" zu einem Aussichtspunkt in der Nähe des Ortes wandern. Auf unserem Weg trafen wir allerdings auf einen Local, der uns versicherte, dass es ein interessantes Dorf der indigenen Population "Kogi" 30min Fußweg entfernt gebe. Das haben wir uns nicht zweimal sagen lassen und sind wie die Verrückten über die Berge durch den Regenwald geklettert. Eineinhalb Stunden später haben wir zwar das besagte Dorf noch nicht erreicht, hatten dafür aber eine überaus interessante Begegnung. Vor uns stand ein verrückt aussehender Typ, der sich uns als "Will" vorstellte und Spanisch sprach. Wills wilde grau-schwarze Haare standen in alle Richtungen ab, er trug das traditionelle weiße Gewand, war barfuß unterwegs, in der Hand ein seltsames Holzstück und zwischen den zahnlosen Lippen steckten Coca-Blätter. Will war unsere erste ausgiebige Begegnung mit dieser so fremden Kultur. Nicht nur sein Auftreten war verrückt, sondern auch seine Art und Weise zu sprechen. Aber man sollte auch nicht vergessen, dass er vermutlich high auf Coca war. Er erzählte von seiner Verbundenheit mit der Erde, ließ uns einige Momente in die Sonne starren, hielt unsere Hände und vollführte einen zappeligen Tanz, während er über Frieden und Respekt und Macht plapperte. Zu meinem Begleiter meinte er, er habe sehr viel Licht und solle sich eine Frau suchen, um seine Macht durch die Liebe zu verstärken. Auch über mich hat er einige Zeit philosophiert, aber ich habe kaum etwas verstanden. Er erklärte auch, dass er eine Art Medizinmann oder Heiler sei und den Menschen helfen wolle. Am Ende hat er uns alles mögliche Zeug gewünscht und gemeint, wir sollten die Verbundenheit mit der Erde und diesem heiligen Land genießen. Die Begegnung war so bizzar, unvorstellbar auf welchen verschiedenen Wurzeln Wertevorstellungen, Moral und Weltverständnis gebaut sein können.






Und schließlich erreichten wir dann das Dorf der Kogi-Indianer. Bevor ihr euch die Bilder anseht, möchte ich erst ein wenig über die Kultur sprechen. Die Kogi-Indianer sind eine von mehreren indigenen Gruppen, die sich im Norden Kolumbiens angesiedelt hat. Die Kogis stammen von den Taironas ab, die allerdings durch die spanischen Kolonialisten vertrieben und schließlich ausgerottet wurden. Die wenigen Gruppen die fliehen konnten sind die heutigen Kogis. Mit der zunehmenden Besiedelung der Küstenregion haben sie sich zunehmend in die Bergregion der Sierra Nevada zurückgezogen und leben dort teilweise auf sehr traditionelle Weise, teilweise auch geprägt durch Einflüsse der Moderne. Je weiter die Population in den Bergen lebt, umso mehr konnte sich die ursprüngliche Kultur erhalten und umso "heiliger" ist der Stamm auch, da er enger an dem heiligen Grund der Sierra Nevada lebt. 
"Unser Stamm" war aber scheinbar nicht sehr heilig, wenn man die Nähe zu Palomino beachtet. Die Männer trugen teilweise protzige Uhren und hatten Smartphones und eine Hütte hatte sogar solarbetriebenes Licht. 
Die Kogis glauben, dass die Welt durch eine Große Mutter entstanden ist, die eine Webspindel in das Gebirge der Sierra Nevada gestoßen hat. Insgesamt gebe es neun Welten und die Menschen leben in der mittleren Welt. Die Sierra Nevada sei der Ursprung alles Lebens und die Kogi selbst sehen sich als Wächter dieses Lebens und damit als Verantwortliche für die Welt und die Natur. Die Aufgabe ihrer Schamanen und Heiler sei es, die Welt im Gleichgewicht zu halten. Sich selbst bezeichnen die Kogi als "Große Brüder" und sprechen sich selbst damit ein Stück mehr Weisheit zu als den restlichen Menschen, den "kleinen Brüdern". Jedes Ereignis in der Welt - Feuer, Hurrikan, Trockenheit - habe seine Ursache und liege an einem Fehltritt der kleinen Brüder. Diese Fehltritte versuchen die Schamanen glatt zu bügeln, sehen aber auch ihr Scheitern ein und hoffen auf die Vernunft und Verantwortung all der kleinen Brüder.






Das Leben ist einfach in der Sierra Nevada. Für unsere Verhältnisse fast schon langweilig. Die Hütten sind einfach gehalten, wie ihr sehen könnt. Die traditionelle Kleidung ist ein weißes Gewand mit einer kleinen Tasche. Ein wichtiges Utensil ist das Holzstück, dass der Mann auf dem Foto zeigt. Das ist ein ausgehölter Kürbis. Mit ordentlich Spucke werden hier Muschelkalk und Coca-Blätter gemischt. Durch die alkalische Substanz des Muschelkalks entwickelt das Coca seine halluzinogene Wirkung. Was bei uns die Kaffeesucht ist, ist hier der Konsum dieser Droge. 
Aus scheinbar mehreren Dörfern besuchen rund 80 Kinder eine Schule nahe des Dorfes, welches wir besuchten. Die Männer, Frauen, Großväter und Großmütter unterscheiden sich im Äußeren kaum und das Alter ist unmöglich einzuschätzen. Im Dorf strolchen zahlreiche Hühner, einige Schweine und Hunde umher und in der Nähe hört man den großen Fluss rauschen, an welchem die Kogis ihr Lager erbaut haben. Alles was die Kogis konsumieren, bauen sie selbst an. Wir haben Bananen, Mangos, Kakaopflanzen, aber auch Coca-Pflanzen gesehen. Alles wirkt sehr friedlich und ungestört, Besuchern gegenübern sind die Kogis misstrauisch. 
Ich habe mich tatsächlich etwas wie ein Eindringling gefühlt, als ungewollter Besucher in einem fremden Haus und ich habe 3x gefragt, bevor ich mich getraut habe, Fotos zu schießen. 







Was soll ich sagen? Palomino und Kolumbien haben mich überrascht. Immer wenn ich denke, ich habe schon einiges gesehen, lerne ich eine neue Sache kennen, sehe eine neue Seite Kolumbiens, die mich total umhaut. 

Und nicht nur die Sierra Nevada, auch Palomino hat seinen Charme. An beiden meiner Abende ist der Strom durch ein Gewitter ausgefallen, das WLAN funktioniert häufiger nicht, als dass es funktioniert und während ich diese Zeilen tippe brummt neben mir das Notstromaggregat. 

So schade es auch ist, aber meine Zeit in Kolumbien neigt sich dem Ende zu. Es stehen zwei weitere Stopps auf der Liste - Cartagena und Medellin. Und dann wird es auch schon in mein nächstes und letztes Land auf dieser Reise gehen. 



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